Weitere Forschungsergebnisse

01.07.2021

Studie: Auswirkungen simulierten nächtlichen Straßenverkehrslärms auf die Endothelfunktion gesunder Erwachsener

Die neue Straßenverkehrslärm-Studie des Zentrums für Kardiologie untersucht die Auswirkungen von nächtlichen Verkehrsgeräusche auf Herz- und Kreislauffunktion. Insbesondere Veränderungen in der Funktion von Blutgefäßen sollen erforscht werden.
Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass Flug- und Bahnlärm mit höherem Blutdruck und Puls verbunden ist. Über Auswirkungen von Straßenverkehrslärm auf Gefäße ist bisher noch zu wenig bekannt. Um die gesundheitlichen Folgen von Lärmeinwirkung in diesen Zeiten einschätzen zu können und Hinweise darauf zu erhalten, welche Faktoren das Ausmaß einer möglichen Schädigung bestimmen, sind weitere Untersuchungen nötig. Diese Studie soll zur Beantwortung offener Fragen beitragen.

Die Versuchsteilnehmer (Probanden) werden während drei Nächten unterschiedlichen Geräuschmustern mit simuliertem Straßenverkehrslärm ausgesetzt. Davon enthält eine Nacht keine Geräusche und dient als Vergleich, die anderen beiden Nächte dahingegen schon. Dazu werden insgesamt 30 und 60  Straßenverkehrsgeräusche von maximal 60 dB mit unterschiedlichen Abständen abgespielt. Die Geräusche dauern dabei 2-3 Minuten, die maximale Lautstärke wird nur für wenige Sekunden erreicht. Zum Vergleich: ein Fernseher mit normaler Lautstärke hat ca. 60 dB(A), eine Hauptverkehrsstraße ca. 80-90 dB, dauerhafte Hörschaden sind bei längerfristigen Lautstärken über 85 dB zu erwarten.

Die Straßenverkehrslärmsimulation erfolgt über ein handelsübliches Musik-Abspielgerät bei Ihnen zu Hause. Dazu erhalten Sie von uns die entsprechenden Geräte und stellen diese dann nach entsprechender Anleitung in Ihrem Schlafzimmer auf. Beim ersten Aufstellen können Sie dabei von einem unserer Mitarbeiter unterstützt werden. Gleichzeitig geben wir Ihnen auch ein speicherndes Schallpegelmessgerät mit, welches die Lautstärke registriert. Tonaufnahmen erfolgen dagegen selbstverständlich nicht, sodass Ihre Intimsphäre hier gewahrt bleibt. Gleichzeitig tragen Sie als Versuchsperson ein Gerät zur Aufzeichnung des EKGs und verschiedener Schlafparameter -wie Bewegungsmessungen- an Ihrem Körper. Dieses Gerät ist mit einem Langzeit-EKG vergleichbar, welches Sie vielleicht schon kennen. Es erfolgen Messungen vor Beginn, während den Nächten und jeweils am Morgen nach einer Versuchsnacht.

Mit ersten Ergebnissen rechnen die Forscher im Sommer 2022.

 

30.11.2020

Nachtfluglärm erhöht akut Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen - Neue bedenkliche Daten vom Züricher Flughafen

Zum ersten Mal hat eine Studie gezeigt, dass lauter Fluglärm in der Nacht innerhalb von zwei Stunden zum Herz-Kreislauf-Tod führen kann. Forschende des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts (Swiss TPH) und Partner haben die Sterblichkeitsdaten mit der akuten nächtlichen Lärmbelastung um den Flughafen Zürich zwischen 2000 und 2015 verglichen. Die Ergebnisse der Studie wurden aktuell im renommierten European Heart Journal veröffentlicht.

Luftverschmutzung ist ein etablierter Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD). Umweltlärm, der hauptsächlich in städtischen Gebieten mit Luftverschmutzung einhergeht, wurde bisher viel weniger beachtet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass allein die in Westeuropa verursachte Lärmbelastung bis zu 1,6 Millionen gesunde Lebensjahre pro Jahr kostet, hervorgerufen durch Schlafstörungen und Lärmbelästigung. Auch die „kardiovaskuläre Belastung“ durch Lärm ist erheblich. Für die Europäische Union wird geschätzt, dass Transportlärm zu 900.000 Fällen von Bluthochdruck, 43.000 Krankenhauseinweisungen und mehr als 10.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr im Zusammenhang mit koronarer Herzkrankheit und Schlaganfall führt. Die meisten Studien über Verkehrslärm und Herz-Kreislauf-Sterblichkeit konzentrierten sich bisher auf die langfristige Lärmbelastung. Diese Studien zeigen auf, dass chronische Lärmbelastung ein Risikofaktor für die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit ist. Insgesamt können in Europa rund 48.000 Fälle von ischämischen Herzerkrankungen pro Jahr auf Lärmbelastung zurückgeführt werden, insbesondere auf Straßenverkehrslärm. Die Studie des Swiss TPH zeigt zum ersten Mal, dass akuter nächtlicher Fluglärm innerhalb von zwei Stunden ab der Lärmbelastung einen Herz-Kreislauf-Tod auslösen kann. Die heute in der Fachzeitschrift European Heart Journal veröffentlichte Studie ergab, dass das Risiko eines Herz-Kreislauf-Todes bei einer nächtlichen Lärmbelastung zwischen 40 und 50 Dezibel um 33 Prozent und bei einer Belastung über 55 Dezibel um 44 Prozent steigt. "Wir haben festgestellt, dass zwischen 2000 und 2015 bei ungefähr 800 von 25.000 Herz-Kreislauf-Todesfällen in der Nähe des Flughafens Zürich Fluglärm die Ursache war. Dies entspricht drei Prozent aller beobachteten Herz-Kreislauf-Todesfälle", sagt Martin Röösli, Korrespondenzautor der Studie und Leiter der Einheit "Environmental Exposures and Health" am Swiss TPH. Gemäss Martin Röösli zeigen die Ergebnisse, dass Fluglärm ähnliche Auswirkungen auf die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit haben kann wie Emotionen (zum Beispiel Wut oder Aufregung). "Die Ergebnisse überraschen nicht, denn wir wissen, dass eine Lärmbelastung in der Nacht Stress verursacht und den Schlaf beeinträchtigt", erklärt er. In ruhigen Gegenden mit wenig Eisenbahn- und Straßenverkehrslärm war die nächtliche Fluglärmwirkung stärker ausgeprägt. Dies war auch der Fall bei Menschen, die in älteren, weniger isolierten und damit lärmanfälligen Häusern wohnen. Am Flughafen Zürich gilt ein Flugverbot zwischen 23.30 und 6.00 Uhr. "Auf Basis unserer Studienergebnisse können wir folgern, dass dieses nächtliche Flugverbot zusätzliche Herz-Kreislauf-Todesfälle verhindert", so Röösli. Die Lärmbelastung wurde anhand einer Liste aller Flugzeugbewegungen beim Flughafen Zürich zwischen 2000 und 2015 und in Verbindung mit bereits vorhandenen Berechnungen der Fluglärmbelastung modelliert. Dabei berücksichtigt wurde der Flugzeugtyp, Flugroute sowie Tages- und Jahreszeit. „Diese Studie muss Konsequenzen haben“, kommentiert der Kardiologe und Fluglärmforscher Prof. Dr. Thomas Münzel, der den Artikel der Schweizer Arbeitsgruppe im European Heart Journal kommentieren durfte. „Vorstellbar wäre, wie schon von Prof. Röösli angekündigt, ein Nachtflugverbot für die gesetzlich definierte Nacht von 22.00 – 6.00 Uhr, da nachweislich die plötzlichen Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Ereignissen nachts stattgefunden haben“ so Münzel, der gleichzeitig auch Vorstandsmitglied der Stiftung Mainzer Herz ist. Münzel fährt fort: „Man darf nicht vergessen, dass wir bei unseren Fluglärmuntersuchungen nachgewiesen haben, dass insbesondere der Nachtfluglärm für unser Herzkreislaufsystem besonders schädigend ist.“

Über die Studie Saucy, A., Schäffer, B., Tangermann, L., Vienneau, D., Wunderli, J. M., Röösli, M. Does nighttime aircraft noise trigger mortality? A case-crossover study on 24,886 cardiovascual deaths. (2020) European Heart Journal. DOI: 10.1093/eurheartj/ehaa957

Weitere Studien zum Nachtfluglärm:

1. Kroller-Schon S, Daiber A, Steven S, Oelze M, Frenis K, Kalinovic S, Heimann A, Schmidt FP, Pinto A, Kvandova M, Vujacic-Mirski K, Filippou K, Dudek M, Bosmann M, Klein M, Bopp T, Hahad O, Wild PS, Frauenknecht K, Methner A, Schmidt ER, Rapp S, Mollnau H, Munzel T. Crucial role for Nox2 and sleep deprivation in aircraft noise-induced vascular and cerebral oxidative stress, inflammation, and gene regulation. Eur Heart J 2018;39(38):3528-3539.

2. Munzel T, Daiber A, Steven S, Tran LP, Ullmann E, Kossmann S, Schmidt FP, Oelze M, Xia N, Li H, Pinto A, Wild P, Pies K, Schmidt ER, Rapp S, Kroller-Schon S. Effects of noise on vascular function, oxidative stress, and inflammation: mechanistic insight from studies in mice. Eur Heart J 2017;38(37):2838-2849.

3. Schmidt F, Kolle K, Kreuder K, Schnorbus B, Wild P, Hechtner M, Binder H, Gori T, Munzel T. Nighttime aircraft noise impairs endothelial function and increases blood pressure in patients with or at high risk for coronary artery disease. Clin Res Cardiol 2015;104(1):23-30.

4. Schmidt FP, Basner M, Kroger G, Weck S, Schnorbus B, Muttray A, Sariyar M, Binder H, Gori T, Warnholtz A, Munzel T. Effect of nighttime aircraft noise exposure on endothelial function and stress hormone release in healthy adults. Eur Heart J 2013;34(45):3508-14a.

 

30.09.2020

Wenige, laute Fluglärm-Ereignisse verschlechtern die Gefäßfunktion im gleichen Ausmaß wie häufige, leisere Ereignisse

Lärmforscher der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Cancer Society Dänemark weisen erstmals auch eine Einschränkung der Pumpfunktion des Herzens durch Nachtfluglärm nach - zur Pressemeldung

 

13.08.2020

Umweltfaktoren wie Lärm und Luftverschmutzung im Kontext mit Gefäßkrankheiten


Laut WHO sind nicht übertragbare Krankheiten die Haupttodesursache weltweit. Rund 70% aller jährlichen Todesfälle gehen zurück auf kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Rauchen, ungesunde Ernährung oder Übergewicht. Diese Faktoren kann der Mensch selbst beeinflussen, solche wie Verkehrs-/Fluglärm oder Luftverschmutzung allerdings kaum. Diese Faktoren tragen jedoch ebenfalls zu der großen Zahl an kardiovaskulären Erkrankungen bei.
In der neuen Übersichtsarbeit der Forscher am Zentrum für Kardiologie, veröffentlicht im Fachblatt ARS, wird die Pathophysiologie von Gefäßschäden durch Lärm und Luftverschmutzung diskutiert - mit besonderem Fokus auf frühe, noch unerkannte Schäden, wie endothelialer Dysfunktion, und der Rolle von oxidativem Stress.

https://www.liebertpub.com/doi/10.1089/ars.2020.8090

 

17.07.2020

Wenige, laute Fluglärm-Ereignisse verschlechtern die Gefäßfunktion im gleichen Ausmaß wie häufige, leisere Ereignisse

Lärmforscher der Johannes Gutenberg-Universität und aus Dänemark weisen erstmals auch eine Einschränkung der Pumpfunktion des Herzens durch Nachtfluglärm nach

Verkehrslärm beeinträchtigt das Leben vieler Menschen, vor allem in Deutschland. Aktuelle Daten des Umweltbundesamtes zeigen, dass sich 75 Prozent der deutschen Bevölkerung vom Straßenverkehrslärm gestört bzw. belästigt fühlen, 42 Prozent vom Fluglärm und 35 Prozent vom Schienenverkehrslärm. Die Beeinträchtigungen durch Verkehrslärm haben in den letzten zehn Jahren nur unwesentlich abgenommen, im Falle des Fluglärms wird sogar davon ausgegangen, dass die Belastungen eher zugenommen haben. Bleiben diese Belastungen in der Bevölkerung konstant, ist mit gesundheitlichen Risiken zu rechnen.
Eine bisher ungeklärte Fragestellung war: Was ist wichtiger für die Auslösung eines Gefäßschadens?  Die Intensität (Lautheit) der Lärmereignisse - oder die Häufigkeit der Lärmereignisse, wobei jeweils von einem gleichen mittleren Schallpegel ausgegangen wird.
In der aktuellen Untersuchung konnte das Studienteam  bestehend aus PD Dr. Frank Schmidt, Dr. Omar Hahad, Univ.-Prof. Dr. Andreas Daiber, Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel von der Universitätsmedizin Mainz der Johannes Gutenberg-Universität, sowie der renommierten Lärmforscherin Dr. Mette Sørensen aus Dänemark erstmals demonstrieren, dass 60 simulierte Nachtflüge mit Spitzenschallpegeln von 60 dBA und 120 Überflüge mit Spitzenpegeln von 57 dBA bei einem gleichen mittleren Schallpegel von 45 dBA vergleichbare Gefäßschäden auslösen. Dabei muss man berücksichtigen, dass die Reduktion um 3 dBA von 60 auf 57 dBA eine Halbierung der Schallintensität bedeutet. Zudem wurde auch die diastolische Pumpfunktion des Herzens beeinträchtigt, d.h. die Fähigkeit des Herzens, während der Entspannungsphase ausreichend Blut aufzunehmen.
„Dies ist ein wichtiger Befund“, kommentieren PD Dr. Schmidt und Prof. Thomas Münzel, „da er zumindest für die Gefäßfunktion belegt, dass die mittleren Schallpegel und nicht Einzelschallereignisse als Maß für spätere Gefäßschäden herangezogen werden sollten. Zudem steht der Nachweis der akuten Verschlechterung der Pumpfunktion des Herzens im Einklang mit Ergebnissen, die über ein vermehrtes Auftreten von Herzschwäche als Folge von chronischem Fluglärm berichtet haben“.
Weiterhin fordert Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel: Insbesondere auf Grundlage der kürzlich erschienenen Lärmrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die deutlich niedrigere Verkehrslärmpegel auch für die Nacht empfehlen, sind Konsequenzen insbesondere auch im Hinblick auf die Ausdehnung des Nachtflugverbots angebracht.“

 

23.04.2020

Lärm macht das Herz krank: Lärmbelastung führt zur Überproduktion herzeigener Hormone und erhöht die Sterblichkeit

Dass Umweltbelastungen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Herzinfarkt signifikant erhöhen, ist bereits bekannt. Eine aktuelle Studie der Gutenberg-Gesundheitsstudie, die von der Stiftung Mainzer Herz unterstützt wird, unterstreicht nun das Gefahrenpotential von Lärmbelastung und untersuchte deren krankmachenden Ursachen. Die Wissenschaftler entdeckten einen auffälligen kardialen Stressmarker, der prognostische Konsequenzen aufweist - das sogenannte mitregionale pro-atriale natriuretische Peptid (MR-proANP) als Verursacher für die stressbedingten Erkrankungen. Das Hormon wird bei Überbelastung vom Herzen vermehrt gebildet. Erhöhte MR-proANP Werte können zu einer stärkeren Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie einer erhöhten Sterblichkeitsrate beitragen.

Experten der EU warnen bereits seit langem neben Schadstoffen in der Luft auch vor Lärmbelästigung. Ein im März 2020 veröffentlichter Bericht der EU-Umweltagentur (EEA) zeigt auf, dass Millionen Menschen gesundheitlich unter Lärm leiden. Mindestens jeder fünfte Europäer ist in seiner Umgebung gesundheitsschädlichem Lärm ausgesetzt. Größter Lärmverursacher dabei ist der Straßenverkehr sowie Fluglärm. Chronische Lärmbelästigungs-reaktionen - ausgelöst durch Verkehrslärm - führen zu Stressreaktionen, die das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, koronare Herzerkrankung, Herzinfarkt und Schlaganfall begünstigen.

Obwohl zahlreiche Studien diesen Zusammenhang nachgewiesen haben, waren die Ursachen der krankmachenden Wirkung von Lärmstress nach wie vor unklar. Nun konnte das Forschungsteam um Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor der Kardiologie I im Zentrum für Kardiologie, und Studienleiter Omar Hahad, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kardiologie I, bei 5000 GHS-Probanden erstmals nachweisen, dass erhöhte Lärmbelästigung, vor allem der nächtliche Flugverkehr, die Blutkonzentration von MR-proANP erhöht. MR-proANP ist ein Hormon, das in Folge von Überbelastung vermehrt vom Herzen selbst gebildet wird. Durch die gefäßerweiternde und wasserausscheidende Wirkung erfüllt MR-proANP eine wichtige Rolle bei der Blutdruckregulation bzw. -senkung und dient damit der Herzentlastung. Etwa 80 Prozent aller Probanden der GHS gaben an, von Lärmbelästigung betroffen zu sein, wobei Flugverkehr bei den Befragten die vorherrschende Quelle der Lärmbelästigung darstellte. 60 Prozent der Betroffenen empfanden sich am Tag sowie etwa 30 Prozent Betroffenen in der Nacht durch Lärm gestört. Fluglärm stelle den höchsten Anteil an extremer Lärmbelästigung dar, gefolgt von Straßenverkehrs- und Nachbarschaftslärm als weitere dominierende Belästigungsquellen. Zudem konnte ermittelt werden, dass erhöhte Konzentrationen von MR-proANP im Blut das Risiko für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in einem 5-Jahreszeitraum signifikant erhöhen. Hierbei wurde ein stärkerer Einfluss der nächtlichen Lärmbelästigung beobachtet; in erster Linie eine Folge von zu kurzem bzw. häufig unterbrochenem Schlaf. Die Forscher ermittelten ein 3-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern) sowie ein fast 50 Prozent höheres Risiko für die Entstehung der oben genannten Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ebenfalls waren erhöhte Konzentrationen von MR-proANP mit einem 36 Prozent höheren Risiko für vorzeitigen Tod assoziiert.

Die Ergebnisse der Studie unterstreichen zahlreiche Untersuchungen, die ein erhöhtes Erkrankungs-Risiko aufgrund von Lärmexposition demonstrieren. Die Autoren der Studie fordern weitere Untersuchungen im Hinblick auf den Risikofaktor Lärm, vor allem aber auch präventive Maßnahmen, um die Bevölkerung vor den negativen gesundheitlichen Auswirkungen des Lärms zu schützen. Diese Maßnahmen können nur durch politische Entscheidungsträger umgesetzt werden, da Patienten und Ärzte wenig Einfluss auf verkehrsbedingte Erscheinungen haben. „Insbesondere auf Grundlage der kürzlich erschienen Lärmrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO, in welcher deutlich niedrigere Verkehrslärmpegel am Tag und in der Nacht empfohlen werden, sind Konsequenzen insbesondere auch im Hinblick auf die Ausdehnung des Nachtflugverbots angebracht“, so Professor Dr. Thomas Münzel.

 

23.04.2020

Lärm macht das Herz krank: Lärmbelastung führt zur Überproduktion herzeigener Hormone und erhöht die Sterblichkeit

Dass Umweltbelastungen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Herzinfarkt signifikant erhöhen, ist bereits bekannt. Eine aktuelle Studie der Gutenberg-Gesundheitsstudie, die von der Stiftung Mainzer Herz unterstützt wird, unterstreicht nun das Gefahrenpotential von Lärmbelastung und untersuchte deren krankmachenden Ursachen. Die Wissenschaftler entdeckten einen auffälligen kardialen Stressmarker, der prognostische Konsequenzen aufweist - das sogenannte mitregionale pro-atriale natriuretische Peptid (MR-proANP) als Verursacher für die stressbedingten Erkrankungen. Das Hormon wird bei Überbelastung vom Herzen vermehrt gebildet. Erhöhte MR-proANP Werte können zu einer stärkeren Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie einer erhöhten Sterblichkeitsrate beitragen.

Experten der EU warnen bereits seit langem neben Schadstoffen in der Luft auch vor Lärmbelästigung. Ein im März 2020 veröffentlichter Bericht der EU-Umweltagentur (EEA) zeigt auf, dass Millionen Menschen gesundheitlich unter Lärm leiden. Mindestens jeder fünfte Europäer ist in seiner Umgebung gesundheitsschädlichem Lärm ausgesetzt. Größter Lärmverursacher dabei ist der Straßenverkehr sowie Fluglärm. Chronische Lärmbelästigungs-reaktionen - ausgelöst durch Verkehrslärm - führen zu Stressreaktionen, die das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, koronare Herzerkrankung, Herzinfarkt und Schlaganfall begünstigen.

Obwohl zahlreiche Studien diesen Zusammenhang nachgewiesen haben, waren die Ursachen der krankmachenden Wirkung von Lärmstress nach wie vor unklar. Nun konnte das Forschungsteam um Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor der Kardiologie I im Zentrum für Kardiologie, und Studienleiter Omar Hahad, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kardiologie I, bei 5000 GHS-Probanden erstmals nachweisen, dass erhöhte Lärmbelästigung, vor allem der nächtliche Flugverkehr, die Blutkonzentration von MR-proANP erhöht. MR-proANP ist ein Hormon, das in Folge von Überbelastung vermehrt vom Herzen selbst gebildet wird. Durch die gefäßerweiternde und wasserausscheidende Wirkung erfüllt MR-proANP eine wichtige Rolle bei der Blutdruckregulation bzw. -senkung und dient damit der Herzentlastung. Etwa 80 Prozent aller Probanden der GHS gaben an, von Lärmbelästigung betroffen zu sein, wobei Flugverkehr bei den Befragten die vorherrschende Quelle der Lärmbelästigung darstellte. 60 Prozent der Betroffenen empfanden sich am Tag sowie etwa 30 Prozent Betroffenen in der Nacht durch Lärm gestört. Fluglärm stelle den höchsten Anteil an extremer Lärmbelästigung dar, gefolgt von Straßenverkehrs- und Nachbarschaftslärm als weitere dominierende Belästigungsquellen. Zudem konnte ermittelt werden, dass erhöhte Konzentrationen von MR-proANP im Blut das Risiko für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in einem 5-Jahreszeitraum signifikant erhöhen. Hierbei wurde ein stärkerer Einfluss der nächtlichen Lärmbelästigung beobachtet; in erster Linie eine Folge von zu kurzem bzw. häufig unterbrochenem Schlaf. Die Forscher ermittelten ein 3-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern) sowie ein fast 50 Prozent höheres Risiko für die Entstehung der oben genannten Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ebenfalls waren erhöhte Konzentrationen von MR-proANP mit einem 36 Prozent höheren Risiko für vorzeitigen Tod assoziiert.

Die Ergebnisse der Studie unterstreichen zahlreiche Untersuchungen, die ein erhöhtes Erkrankungs-Risiko aufgrund von Lärmexposition demonstrieren. Die Autoren der Studie fordern weitere Untersuchungen im Hinblick auf den Risikofaktor Lärm, vor allem aber auch präventive Maßnahmen, um die Bevölkerung vor den negativen gesundheitlichen Auswirkungen des Lärms zu schützen. Diese Maßnahmen können nur durch politische Entscheidungsträger umgesetzt werden, da Patienten und Ärzte wenig Einfluss auf verkehrsbedingte Erscheinungen haben. „Insbesondere auf Grundlage der kürzlich erschienen Lärmrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO, in welcher deutlich niedrigere Verkehrslärmpegel am Tag und in der Nacht empfohlen werden, sind Konsequenzen insbesondere auch im Hinblick auf die Ausdehnung des Nachtflugverbots angebracht“, so Professor Dr. Thomas Münzel.

 

24.04.2019

Tag des Lärms: Deutschland tut viel zu wenig um den Lärm effektiv zu bekämpfen

Die aktuelle Studienlage belegt eindeutig, dass Lärm krank macht, wobei Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Vordergrund stehen. Am Tag des Lärms kritisiert Professor Thomas Münzel die unzureichenden Maßnahmen des Bundes, den Verkehrslärm zu reduzieren und somit insbesondere den gesundheitlichen Folgen entgegenzuwirken. Er fasst die neueren Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung, wie Lärm krank macht, zusammen.
Lärm ist definiert als unerwünschter Schall. In Deutschland fühlen sich ca. 50 % der Menschen durch Lärm belästigt. 70 % aufgrund von Straßenlärm, knapp 40 % aufgrund von Flug- und 25 – 30 % aufgrund von Schienenlärm.
Verkehrslärm führt nachweislich pro 10 Dezibel Lärmzunahme zu mehr Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzschwäche, mit bis zu 15 % nach neuesten Befunden einer Schweizer Arbeitsgruppe auch zu einer erhöhten Sterblichkeit, unabhängig von der Luftverschmutzung.
Erkenntnisse aus neueren epidemiologischen Studien belegen, dass Verkehrslärm alleine in Europa jährlich für 18.000 vorzeitige Todesfälle, 1,7 Millionen Fälle von Bluthochdruck und 80.000 Krankenhauseinweisungen verantwortlich ist.
Ein wichtiger Faktor für die Ausprägung von Lärm-induzierten Gesundheitsschäden ist die Belästigungs- oder Ärgerreaktion, im Englischen auch Annoyance genannt. Je stärker man sich durch Lärm belästigt fühlt, umso mehr befindet man sich in einer Dauerstresssituation, die langfristig für die Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich ist. Neue Studien der Universitätsmedizin Mainz zur Lärmwirkungsforschung belegen, dass die durch Flug-, Straßen- und Schienenverkehr hervorgerufene Lärmbelästigung dosisabhängig zu einem erhöhten Risiko für Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern aber auch zu psychischen Erkrankungen wie Depression und Angststörungen führen kann. Ebenfalls neu ist die
Erkenntnis, dass insbesondere Nachtlärm verbunden mit zu kurzem bzw. häufig unterbrochenem Schlaf für deutliche Nebenwirkungen in Gefäßen und Gehirn verantwortlich ist.
Beispielhaft für negative Entwicklungen in dem Bereich Lärmschutz ist die aktuell zu verzeichnende deutliche Zunahme der Flugbewegungen am Frankfurter Flughafen sowie die nach wie vor massive Lärmbelastung im Rheintal, insbesondere durch die Güterzüge. Während die Weltgesundheitsorganisation WHO eine drastische Lärmreduktion für Schienen-, Straßen- und Fluglärm fordert, verschiebt Deutschland die neue Novelle Fluglärmschutzgesetz verknüpft mit Dezibelsenkungen auf 2021 und verzichtet komplett auf aktive Schallschutzmaßnahmen. Damit wurden auch die Empfehlungen des Umweltbundesamtes missachtet, das ein übergeordnetes Konzept zum Schutz vor Fluglärm unter Betonung des aktiven Lärmschutzes gefordert hatte. Nicht nachvollziehbar ist, dass eine eigentlich geplante Absenkung der Lärmwerte noch einmal bis 2021 verschoben wurde. Experten hatten eigentlich eine Absenkung um ein bis drei Dezibel gefordert, der Bericht der Bundesregierung schloss sich dem nicht an. Damit sind die von der WHO geforderte Lärmreduktion sowie der eingeforderte Schutz von besonders lärmempfindlichen Senioren, Kindern und Krankenhauspatienten nicht auch nur annährend gewährleistet.
Veröffentlichungen:
http://www.euro.who.int/en/health-topics/environment-and-health/noise/environmental-noise-guidelines-for-the-european-region
https://www.aerzteblatt.de/archiv/206499/Auswirkungen-von-Laerm-auf-das-Herz-Kreislauf-System
https://www.aerzteblatt.de/archiv/206498/Was-tun-gegen-den-Laerm
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0735109717419309?via%3Dihub
https://iubmb.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/biof.1506